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Dem Schnurren auf der Spur

Warum Katzen schnurren, haben wir schon einigermaßen begriffen. Auch, dass sie damit nicht unbedingt Wohlbefinden ausdrücken. Wie sie das machen, ist immer noch nicht vollständig geklärt. Eine aktuelle Studie ergibt allerdings ein neues Puzzleteil, das uns der Antwort ein gutes Stück näherbringt. Die WissenschaftlerInnen fanden außerdem heraus, wozu ein spezielles Gewebe an den Stimmbändern von Katzen gut ist.

Schnurrende Katze

Wenn man noch vor 200 Jahren sagte "Die Katze spinnt", meinte man damit nicht die verrückten fünf Minuten und auch keine Verhaltensauffälligkeiten oder Probleme von und mit einer Samtpfote. Mit diesem "Spinnen" beschrieb man die angenehmen Lautäußerungen von Stubentigern, die an das Surren eines Spinnrades (ein damals übliches Werkzeug) erinnerten – das Schnurren.

Die Phonetikerin Susanne Schötz beschreibt es in ihrem Buch »Die geheime Sprache der Katze« als "ein sehr tiefer (oft in einem Frequenzbereich zwischen 20 und 30 Hz), lang anhaltender, verhältnismäßig leiser, ziemlich regelmäßiger, summender Laut" ohne Vokale und eher stimmlos; bei manchen Stubentigern klingt er allerdings laut und knarrend.

Warum Katzen schnurren

"Wenn die Katze Fäden spinnt, so ist sie dir gar wohl gesinnt" schrieb der dt. Gelehrte Joseph Eiselein (1791–1856). Ein wahres Wort, denn man muss sich schon sehr ungeschickt, eher bösartig, anstellen, um eine schnurrende Katze zum Zuschlagen oder -beißen zu bewegen. Mit Schnurren äußert die Katze ihre Friedfertigkeit; sie hat nicht vor, ihre gefürchteten Waffen einzusetzen. Das ist wohl einer der Gründe, warum Katzenfreunde diese beruhigenden Laute so sehr lieben.

Alle Katzen können schnurren, wenn auch manche so leise, dass wir sie nicht hören, die Vibrationen nur fühlen können. Warum wenige Ausnahmen offenbar gar nicht "spinnen", bleibt spekulativ; vielleicht fühlen sie sich so sicher, dass sie friedliche Absicherungen nicht für nötig halten. In der Katzenwelt ist diese Lautäußerung allerdings weit verbreitet:

Katzenmütter schnurren, wenn sie ins Nest kommen, die Kitten, wenn sie saugen, Kater und Kätzin während der Ranz, junge Katzen bei Begegnungen mit erwachsenen, souveräne bei der freundlichen Annäherung an zurückhaltende, vor und während sie gestreichelt werden, fressen, ... Hier liegt die klassische Antwort auf die Frage nach dem Warum, nämlich "Weil es ihr gut geht", ziemlich nahe – als Ausdruck von Zufriedenheit und Wohlbefinden.

Aber auch beim Tierarzt schnurren Katzen und manche, wenn sie sich fürchten. Ihnen geht es nicht gut und auch bei der Untersuchung durch den Tierarzt fühlen sich (großzügig eingeschätzt) nur sehr wenige Katzen wirklich wohl. "Ich bin friedlich, sei du es bitte auch" ist in diesen Fällen eine passende Erklärung – als Beschwichtigung. Beim Tierarzt kann es auch heißen "Lass uns wieder heim fahren!".

Den Unterschied zwischen "Es geht mir gut" und "Ich hätte gerne, dass es mir wieder gut geht" erkennt man an der Körperhaltung der schnurrenden Katze. Bei Wohbefinden ist sie entspannt, bei Krankheit und Schmerz angespannt.

Das ist auch eine mögliche Deutung für Katzen, die schnurren, wenn sie in den Wehen liegen, krank sind, schwer verletzt, im Sterben liegen. Ihnen geht es absolut nicht gut. In solchen Situationen profitieren Katzen allerdings zumindest zusätzlich von der physiologischen und physischen Wirkung des Schnurrens, nämlich einerseits der beruhigenden Freisetzung von Endorphinen und andererseits der Unterstützung bei der Heilung von Verletzungen, insbesondere der Knochen. Das ist experimentell erwiesen. Schon seit mehreren Jahren werden bei Menschen ähnliche Vibrationen wegen ihrer heilsamen Wirkung auf Knochenwachstum und -dichte (gegen Osteoporose) sowie gegen Muskelkrämpfe v.a. in der Sportmedizin angewendet.

Wie Katzen schnurren

Über die Entstehung dieser Laute gab es bisher mehrere Theorien, z.B. die Blut-Turbulenz-Theorie: In den Hauptvenen zum Herzen soll durch Veränderung von Emotionen ein Engpass entstehen, der den Blutstrom erhöht und Turbulenzen verursacht, die vom Zwerchfell verstärkt und durch die Luftröhre in die Nebenhöhlen des Schädels geleitet werden, der als zusätzlicher Resonanzkörper fungiert. Jeder, der einmal sanft eine schnurrende Katze abtastet, wird allerdings spüren, dass das Schnurren nicht im Brustkorb, sondern offensichtlich in der Kehle entsteht.

Eine andere Theorie verweist auf das Zungenbein, über das die Atemluft reibt. Ein Argument dafür ist der Vergleich zwischen Groß- und Kleinkatzen. Bei kleinen Katzen ist es vollständig verknöchert bzw. fünf Knochen dieses Apparates – sie können beim Aus- und Einatmen schnurren. Dagegen ist das Zungenbein bei großen Katzen wie Löwe und Tiger teilweise elastisch, sie können nur beim Ausatmen schnurren, aber im Gegensatz zu den kleinen Verwandten brüllen. Das elastisch aufgehängte Zungenbein ist auch nach aktueller wissenschaftlicher Einschätzung dafür verantwortlich, dass die großen Miezen überhaupt brüllen können, für den tiefen Ton ist die Länge ihres Stimmapparates verantwortlich. Ausnahme ist der Schneeleopard, der zwar zu den großen Katzen zählt, aber nicht brüllen kann und "in beide Richtungen" schnurren wie ein kleines Kätzchen.

Eine weitere Theorie besagt, dass Kleinkatzen ihre falschen Stimmbänder, nämlich Taschenklappen hinter den echten Stimmbändern, beim Atmen zur Vibration bringen können. Beweise dafür fehlen allerdings.

Am verbreitetsten ist die Theorie der Aktiven Muskelkontraktionen (AMC), nach der Nervenimpulse die inneren Kehlkopfmuskeln aktivieren, sich alle 20-30 ms zusammenzuziehen und wieder zu entspannen und dadurch den Luftstrom unterbrechen, so dass ein anhaltender Schnurrton entsteht.

Experimenteller Schnurr-Test

Ein internationales Forscherteam um Christian T. Herbst von der Uni Wien hat die AMC-Theorie nun getestet. Dazu benutzten sie die Kehlköpfe von acht Katzen, die wegen unheilbarer Krankheiten eingeschläfert werden mussten. Dieser Theorie zufolge sollten die präparierten Kehlköpfe experimentell, d.h. ohne Nerven- und Muskelaktivität, nicht zum anhaltenden Schwingen bzw. Schnurren zu bringen sein. Aber es funktionierte! Allein die Elastizität der Muskeln und ein Luftstrom können die Stimmbänder vibrieren lassen. Man nennt es myoelastisch-aerodynamisches Prinzip (MEAD) und es ist tatsächlich verantwortlich für die Lautäußerungen der meisten Säugetiere, incl. z.B. Miauen und Schreien von Hauskatzen. Nur hielt man es wegen der geringen Körpergröße der Kleinkatzen bisher als ungeeignete Erklärung für ihr Schnurren.

Die AMC-Theorie ist damit nicht vom Tisch. Ich bin sicher, dass unsere Samtpfoten das Schnurren willentlich beeinflussen können. Sie können auch andere, stimmhafte Laute ins Schnurren einbetten, z.B. Miauen oder Gurrtöne, wie Karen McComb und ihr Team 2009 herausfanden. Diese hochfrequenten Laute wirken auf uns Menschen eindringlicher als "reines" Schnurren. Sie erinnern uns an das Wimmern von Säuglingen und wecken in uns den oft unbewussten, dringenden Wunsch, der Katze zu helfen. Das Schnurr-Maunzen wirkt also wie eine freundliche Bitte um Zuwendungen, nur dezenter als das Miauen. Und es wird sicher bewusst eingesetzt. Außerdem ergaben schon frühere Studien, dass man bei Hauskatzen durch elektrische Hirnstimulation unterschiedliche Lautäußerungen auslösen kann, neben Schnurren auch Maunzen, Knurren und Fauchen. Daher gehen auch die ForscherInnen davon aus, dass beim Schnurren AMC- und MEAD-Prinzip zusammenarbeiten. Wahrscheinlich werden die inneren Kehlkopfmuskeln durch Nervenimpulse angeregt (AMC) und die Oszillation in den vorgegebenen Frequenzen von den vibrierenden Stimmlippen beibehalten, die als passive mechanische Resonatoren dienen (MEAD). Dadurch werden die Schwingungen während des Aus- und Einatmens stabilisiert und Energie gespart.

Nebenbei fanden die ForscherInnen heraus, wie es eine Hauskatze schafft, mit Leichtigkeit so tiefe Töne von sich zu geben, tiefer als eine menschliche, krächzende Schnarrstimme, das so genannte Vocal Fry. Bei so kleinen Tieren ohne entsprechenden Resonanzkörper war eine physische Erklärung bisher nicht in Sicht und das MEAD-Prinzip fraglich. Aber sie schaffen es, beim Schnurren die Stimmbänder ungewöhnlich lange geschlossen zu halten, wie die Experimente an den sezierten Kehlköpfen zeigten. Außerdem konnten diese experimentell dazu gebracht werden, in Bereichen von 15–200 Hz zu vibrieren, mit fließenden Übergängen, abhängig vom verwendeten Luftdruck.

Zur Tiefe des Schnurrtons tragen außerdem Gewebekissen bei, die in die Stimmlippen, genauer in die Plica vocalis, von Katzen eingebettet sind. Die Funktion dieser Polster, die bis zu 4 mm dick sein können, war bisher unbekannt. Durch die Experimente wurde jedoch deutlich, dass sie ähnliche Effekten hervorrufen wie die Fettgewebe in den Stimmapparaten von Zahnwalen (u.a. Delphinen), die die Frequenz der abgegebenen Laute senken.  

Die Ergebnisse dieser Studie beweisen, dass das Schnurren von denselben biomechanischen und aerodynamischen Prinzipien aufrechterhalten wird wie bei anderen, höherfrequenten Katzenrufen. Und dass das spezielle Gewebekissen an den Stimmlippen der Katzen die tiefe Frequenz des Schnurrens ermöglicht. Aber es sind weitere Studien nötig, um das Zusammenspiel von neuronalem Input einerseits und Muskel-Stimmlippen-Luftstrom andererseits zu untersuchen. Die kleinen Geheimniskrämer stellen auch WissenschaftlerInnen immer noch vor Herausforderungen.

Quellen:

Herbst, C.T., T. Prigge, M. Garcia, V. Hampala, R. Hofer, G.E. Weissengruber, J.G. Svec & W.T. Fitch (2023): Domestic cat larynges can produce purring frequencies without neural input. – Current Biology. https://doi.org/10.1016/j.cub.2023.09.014

McComb, K., A.M. Taylor, C. Wilson & B.D. Charlton (2009): The cry embedded within the purr. – Current Biology 19(13): R507-8. DOI:10.1016/j.cub.2009.05.033

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